Wer die Vergangenheit nicht kennt, wird die Zukunft nicht in den Griff bekommen.
Golo Mann
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Schule 2
"Manche sind für die Dummheit geboren und machen deshalb ihre Dummheiten nicht freiwillig, sondern unter dem Zwang des Geschicks."
La Rochefoucauld
Schule, Lenkung und Aufsicht
1. Einige Merkmale, an denen man schlecht qualifizierte Führungskräfte erkennen kann:
Vorab: Es ist meist eine Summe mehrerer Merkmale, die eine einigermaßen gesicherte Schlußfolgerung zuläßt. Auch ist es wenig sinnvoll, ein Merkmal, das nur höchst selten auftritt in der Analyse zu stark zu gewichten. Man hat entsprechend auf sogenannte Verhaltenskonstanten und Ausprägungen von Verhaltensstrategien zu achten, will man ein einigermaßen gesichertes Persönlichkeitsbild von Führungspersonal erhalten.
Ferner sei hier festgestellt, daß die hier getroffene Auswahl keinerlei Anspruch auf Vollzähligkeit erhebt, denn die Mannigfaltigkeit menschlicher Verhaltensweisen scheint beinahe ohne Grenzen, jedenfalls immer wieder neuen "Überraschungen" gegenüber sehr variabel und offen zu sein. Der Artikel wird fortwährend überprüft und ergänzt. Insbesondere werden neue Erkenntnisse und Beobachtungen schnellstmöglich integriert.
Eine Anmerkung scheint mir unverzichtbar: Diese idealtypisch *) dargestellten Herrschaftstypen fallen in der Regel nicht wundersam vom Himmel, d.h. sie werden auch irgendwie "gemacht", also von ihrer Umwelt mitdefiniert. Vor allem entscheidet sich bereits in der frühkindlichen und jugendorientierten Erziehung, welches Produkt da später einmal die Gesellschaft bereichern oder belasten wird. Dem Elternhaus gebührt somit bei diesem Prozeß eine tragende und verantwortbare Rolle. Aber auch später, also wenn die Prozesse der Menschwerdung zumindest partiell bereits mehr oder weniger abgeschlossen sind -- wir erinnern uns an die sogenannten prägenden Phasen und für eine spezifische Reifung und Ausformung von Eigenschaften "günstige" Lebensabschnitte -- , haben Umweltfaktoren und Sozialkonstellationen nicht zu unterschätzende Einflüsse. Was bedeutet dies nun hier für unsere Untersuchung? Nichts anderes als daß es auch bei Untergebenen den jeweiligen Typus als korrespondierende Ausformung geben kann. Zum einen finden wir dann die zahlreich vorhandenen subalternen Menschen, die zwar (hinter vorgehaltender Hand und in "sicherem" Abstand) unliebsame und unqualifizierte Führungskräfte kritisieren, dabei ihr Umfeld mit sinnlosen, weil ineffektiven, Meckereien malträtieren, dabei jedoch nicht merken, daß gerade sie durch ihre Persönlichkeitskonstitution und ihren mehr oder weniger unbewußt ausgelebten Bedürfnissen gerade jene untragbaren Zustände perpetuieren helfen. An einem Beispiel im Klartext verdeutlicht: Auch bei jenen Untergebenen gibt es diesen Wohnzimmerflüchtigen, der es daheim nicht aushält, weil ihm oder ihr die sprichwörtliche Decke auf den Kopf fällt oder weil die Beziehungssituation entsprechend desolat ist. Jene sind dann froh, wenn endlich wieder irgendein Anlaß gegeben ist, der ihnen eine andere Form des Aufenthalts ermöglicht, womöglich mit herbeigeredeter holder Gemütlichkeit über Kaffee, Weiswürste, Kuchen, Pizza oder ähnlichen ungemütlichen "Bereicherungen" in ungemütlicher Atmosphäre. Jedes noch so hohle Wort klingt jenen dann besser im Ohr als das Ertragen vermeintlicher oder tatsächlicher häuslicher Stille. Es sind jene Leute, die sich vor dem Spüren des eigenen Atem oder dem Hören des eigenen Herzschlags auf der Liege oder im Gras fürchten. Dieser Typus ist vermutlich dann sogar noch dankbar für das, was sie von OBEN als Abwechslung in ihrem eigenen tristen Alltag erleben dürfen oder müssen. Ihnen ist jeder noch so blöde Zeitdiebstahl, jede noch so dumpfe eigentlich als Beleidigung eines anständigen Geistes zu bewertende Zeittotschlagerei, das tumbe Starren in langweiliger Runde oder ähnliches willkommener als die Pflicht, sich endlich einmal richtig um das eigene Leben kümmern zu müssen. Man läßt sich verwalten statt für Verwaltung zu sorgen! Daß diese subalternen Untergebenen auch als Beschwörer von Teamgeist (ohne jemals den Sinn des Begriffs richtig verstanden zu haben), als dynamische, aktive Person (obgleich sie in jeglicher Hinsicht von jeder Watschelente überflügelt werden könnten) und vor allem als Verwechsler von Quantität und Qualität, also als Dirigent eigener Selbsttäuschungen in Erscheinung treten ist offensichtlich, weil für jeden kritischen Beobachter immer wieder wahrnehmbar und aufzeigbar. Die Schuld für schlechten Führungsstil tragen also auch jene mit, die ihn sich gefallen lassen und in ihrer luziden Unfähigkeit zur Solidarität (zu der zugegebenermaßen leider oft auch die Basis völlig fehlt ...) Zustände erlauben, die eigentlich von der Sache und auch vom propagierten Menschenbild her beseitigt gehörten. Wer also -- zu Recht -- unfähige Führungskräfte kritisiert, muß sich schon selbst fragen und auch fragen lassen, inwieweit er seinen Anteil an diesen üblen Zuständen zu verantworten hat!
*) Erläuterung für diesbezüglich Unbedarfte: idealtypisch meint natürlich hier beileibe nichts Ideales! Es handelt sich vielmehr um ein Modell, in dem wesentliche Merkmale hervorgehoben werden (im vorliegenden Fall meist sogar nur ein einziges), andere jedoch zur besseren Betrachtungsweise unterdrückt werden. In Reinkultur gibt es diese idealtypischen Skizzierungen höchst selten, sie werden jedoch vor allem in der Wissenschaft als notwendiges, wenngleich niemals hinreichendes Kriterium für Untersuchungszwecke konstruiert und eingesetzt. Vereinfacht sei gemahnt: Man darf das Ganze nie als Teil der Summe jener idealtypischen Konstrukte sehen, da dadurch eine Verkürzung der Sichtweise gegeben wäre, eben eine Abstraktion vom Gesamtheitsphänomen.
1a) Der Teamgeist-Beschwörer-Typus
"Team" ist mittlerweile ein zentraler Begriff geworden, wenn die Rede von positiver Arbeitsgestaltung und Arbeitsleistungen (was das dann letztlich konkret auch immer sein soll ...) ist und er geistert und herrscht ausnahmslos in beinahe allen Diskussions- und Konferenzforen. Leider ist der Begriff "Team" weitgehend unkritisch besetzt, will heißen: unter "Team" wird fast ausnahmslos positiver Bezug kolportiert. Die Blindheit, die sich hinter der weit verbreiteten Weigerung, den Teamgedanken auf das notwendig sachliche Maß zurückzufahren versteckt, ist schon bemerkenswert. Jene einst von Karl Steinbuch für die Weigerung, technischen Aspekten in der gesellschaftlichen Entwicklung einen notwendigen Platz zukommen zu lassen, verantwortlichen "Unteroffiziere des Geistes" (Buch: Falsch programmiert) haben mittlerweile fast alle Denk- und Handlungsfelder besetzt. Vor allem aber: Sie haben an Zahl relativ zur Gesamtbevölkerung gewiß exponentiell zugenommen.
Unter "Team" verstecken sich nämlich auch diejenigen Mitläufer, die nur nicht auffallen wollen, ihr ganzes Handeln und Denken hinter der vermeintlich sicheren Maske des "Teams" verstecken wollen. Also letztlich die Bremser und Unproduktiven. Auf der anderen Seite einer unsäglichen Bandbreite jedoch trifft man den nicht minder unsympathischen und dem eigentlichen Teamgedanken gegenüber kontraproduktiven Typus, der das "Team" für seine Aufstiegsambitionen funktionalisiert, dabei mit allen möglichen bewußten und vielfach sehr unbewußten Tricks arbeitet, um für sich auf Kosten anderer Vorteile als auch vor allem Kompensation für Ausprägungen neurotischer und narzißtischer Störungen zu erhaschen. Natürlich finden wir im "Team" auch die idealistischen, im Dienste der Sache überwiegend an der Optimierung von Aufgabenlösungen arbeitenden; die Frage ist nur, wie lange sie ihre positiven Einstellungen inmitten derart heterogener Interessenbezüge durchzuhalten vermögen. Für einen gescheiten, aufrichtigen Menschen dürfte es in der Regel früher oder später immer Grenzen dessen geben, was er sich von Einfalt, unterschiedlicher Ausprägung von Dummheit, Hemmschwellenerzeugern, Euphemismen pflegende Zeitgenossen und vor allem von die Aufgabenerledigung faktisch konterkarrierenden Einflußquellen gefallen läßt. Da die Mehrheit leider immer wieder die eigentliche Definitionsmacht ausübt, dies in einem dreisten, aus intersubjektiver Übereinstimmung generierten, aber ebenso falschen Einverständnis hinsichtlich Überlegenheit bezüglich Gestaltungskompetenz, liegen bei den wirklich qualifizierten Kräften im Kampf gegen diese tumbe Mehrheit letztlich Phänomene wie innere Kündigung, Resignationsformen anderer Art, Formen von Eigenbrödlertum als auch Zurückgezogenheit sowie die Suche nach effizienter Umgehung jener Impertinenzen nahe. Es bedürfte schon einer außergewöhnlichen Stabilität, auf Dauer unbeschadet im sozialen Kontext jener Beschwörer und Huldiger einer falschen Teamidee nicht unterzugehen oder gar nicht absorbiert zu werden.
Wie gehen nun jene Führungsteamgeistler mit den von ihnen als "unfähig" disqualifizierten, weil störenden Mitarbeitern um? Richtig: Das Urteil lautet dann sehr schnell auf "nicht teamfähig", heutzutage wohl eine der schlimmsten Bewertungsattribuierungen, die dem betrieblichen Beurteilungswesen zur Verfügung steht. Und schon ist man den störenden Geist los und kann wieder im eigenen Sumpf geistiger Beschränktheit mit seinesgleichen (oder: ihresgleichen) im Wirken mit den anderen Folgsamen ("Pflegeleichten") die eigene reduzierte Geisteswelt erfolgreich reproduzieren.
"Ich muß doch einmal sehen, ob Herr X (oder Frau Y) in unser Kollegium paßt"; "Welche Gründe sprechen dafür, daß ich (sic!) Sie an unserer Schule halten kann?"; "Es müssen einige zum nächsten Schuljahr gehen, so daß ich über die von mir getroffene Beurteilung einen Bewertungsmaßstab für meine Entscheidungen habe, wer hier bleiben darf." Dies sind nur einige mir bekannte Äußerungen, die weniger auf sozialintegrative Führungsqualitäten schließen lassen, sondern vielmehr die Überlegung aufdrängen, daß hier eine schwache, psychologisch mehr als tolpatschig agierende Führungskraft über repressive Mechanismen das eigene schwache Ich abzusichern versucht, indem über Druck auf Untergebene eine Unterwerfungsbereitschaft erzeugt werden soll. Was ist jedoch tatsächlich die Folge für das Wohl (oder besser: Weh') des Unternehmens Schule? Richtig, wir finden dann Duckmäuser, Aussteiger, Verabschieder, Demotivierte, Kuckuckseier, um nur einige Varianten der Persönlichkeitsausflüsse zu nennen. Jedenfalls wird es unter diesen repressiven Bedingungen keine sachliche, fachliche, aufgeschlossene Zusammenarbeit zum Wohl des Ganzen geben. Aber die Führungskraft hat -bestenfalls - ihre vermeintliche Ruhe. Meistens wohl aber eher: Die Ruhe vor dem Sturm. Den Schülern wird jedenfalls in einem derartig von Führungskräften vermiesten Klima nicht angemessen geholfen werden können. Wie auch, wenn ein Großteil der Kraft von Lehrkräften von Kämpfen ums eigene Überleben absorbiert wird.
Ob man also in ein "Team" paßt oder nicht, wird häufig von im Umgang mit Menschen schlecht beratenen und schlecht geschulten Vorgesetzten entschieden und zwar nach Kriterien, die sich nur vermeintlich und vorgeblich an der eigentlichen Aufgabe orientieren, tatsächlich jedoch ureigenen Machtinteressen verpflichtet fühlen. Ob diese Art der Selbstausrichtung und "Selbstverpflichtung" nun Form eines reduzierten Charakters, einer krankhaften Veränderung der Psyche, gar sadistischen Zügen, reiner Machtlogik oder aber nur einem höheren Maß an Dummheit und Einfalt als es dem Durchschnittsbürger häufig zugerechnet wird, ist spielt vom Ergebnis her insofern keine Rolle, als Arbeit unter diesen Bedingungen wenigstens erschwert wenn nicht gar mehr oder mehr verunmöglicht wird. Die Analyse mag für Fachleute vielleicht wissenschaftlich interessant sein; aber für eine Änderung der Verhältnisse dürften derartige Persönlichkeitsdeformationen zumindest in angemessener Zeit nicht offen sein und eine Entlassung aus ihren Positionen ist zumindest gegenwärtig für derartig disponierte Schulleitungen kaum möglich. Also können sie weiter ihr - wie ich es einmal nennen möchte - Unwesen betreiben.
Jedenfalls wird hier der funktionalisierte Bezug auf den Begriff "Team" offensichtlich. Denn statt ein Optimum in echter Teamarbeit zu erzeugen, dient "Team" als Alibi für Pseudoinnovation gegenüber vorgeordneten Stellen und der Öffentlichkeit und faktisch fast nur als Bremse von ökonomischen Arbeitsweisen im Sinne von Optimierungsprozessen, vor allem aber als Institut zur Sicherung ureigenster Herrschaft.
Frage: Wie armselig und arm muß sich eine "Führungskraft" fühlen, die ihren Definitionsbereich und ihre Direktionsmacht über derartige Selbsttäuschungsinszenarien absichern muß? Wie "bereichernd" ist der Blick in Augen von Untergebenen, die überwiegend Schweigsamkeit als Resignation, beileibe nicht als Zustimmung, signalisieren? Für eine echte Führungskraft wären derartige Signale unerträglich, sie würde merken, daß hier umgehend Änderungen in der Zielsetzung (vor allem in der Auseinandersetzung) erforderlich wären, sie würde spüren, daß sie selbst hier einige Dinge falsch handhabt, ihr käme zu Bewußtsein, daß zwischen subjektivem Wollen und objektiven Sein eine Kluft klafft, die es zu beseitigen gibt, und zwar mit wirklich demokratischen und diskursiven Mitteln. Aber der Prototyp der "Anti-Führungskraft" (wie ich jene Typen reduzierter Kompetenz einmal nennen möchte) ist ja zwangsläufig ein Meister (eine Meisterin) der Verdrängung und hat bereits viel zu viel subjektive Verengung und Reduktion erfahren, als daß diese Probleme wirklich sachgemäß zur Kenntnis genommen werden könnten. Während das Schiff bereits am Sinken ist, spielt die Tanzkapelle kräftig und fröhlich auf (vgl. zum Beispiel "Danceband on the Titanic" von Harry Chapin als hervorragende, diesen Sachverhalt ansprechende Parabel ...) Aber gegen Blindheit und Dummheit als auch gegen Einfalt kämpfen bekanntlich selbst die Götter vergeblich. Wie soll sich da dann eine (Ver-) Änderung ergeben?
1b) Der sich "dynamisch" gebende Typus
Hier finden wir ebenfalls einen interessanten Zeitgenossen. Er macht auf modern, nimmt immer wieder die Arbeitsweise in der freien Wirtschaft in den Mund (von der freilich sehr wenig wirklich versteht respektive verstanden hat), gibt sich modern (vor allem im Outfit, in seiner Erscheinungsform), weigert sich häufig "älter" zu werden (soll heißen: macht oft schon auf peinliche Art auf "jungendlich", was ihm vor allem die ihm anvertrauten Jugendlichen überhaupt nicht annehmen, weil sie durchaus in der Lage sind - ungeachtet sonstiger Schwächen im schulischen Leistungsverhalten -, derartige Aufgesetztheiten zu durchschauen), droht immer wieder mit dem Input-Output-Begriff, wie überhaupt Termini aus Wirtschaftsprozessen zu seinem Lieblingsvokabular vor allem in Konferenzen und im Umgang mit der Obrigkeit gehören. Der aufmerksame Zuhörer merkt dann allerdings recht schnell, daß es sich um Worthülsen handelt; nicht daß es diese Begriffe nicht tatsächlich in einschlägiger Bedeutung nicht gäbe, nein, der Phrasendrescher hat nur nicht verstanden, was sie tatsächlich bedeuten und in welchem Kontext sie ihren Sinn eigentlich erst entfalten können. Aber in seinem sorgfältig gewählten Sumpf von gewollter Intersubjektivität wird jener Typus immer wieder hofiert, eben weil die anderen von den diese Terminologie tragenden Sachverhalten auch nichts oder wenigstens nicht viel verstehen. Wer hier nun kritisch nachfragt, wird sehr schnell mundtot gemacht, als Störenfried desavouiert (der übrigens dann - die Leser ahnen es bereits - auch einmal wieder als nicht teamfähig aussortiert wird) und schnell werden dann künstlich hochstilisierte Bewertungen vorgenommen, die dann den Lauf der Dinge einleiten ... Im schlimmsten Fall: Kein Platz in dieser hehren Gemeinschaft.
Das Outfit ist nicht selten von papageienhafter Buntheit (dem Ästhet nichts als eine Peinlichkeit, aber Ästhet ist jener Typus schon einmal gar nicht, denn dann hätte er eine andere, bessere Schwerpunktsetzung auch in der allgemeinen Lebens- und Berufspraxis gepflegt), das männliche Pendant zeichnet sich immer häufiger durch Ring im Ohr aus (nicht daß ich etwas dagegen hätte, nur stimmig sollte es halt sein; der Imitationskaspar war noch nie Gegenstand meiner Bewunderung, nicht nur nicht meiner ...) und damit die Dynamik sich auch wirklich voll entfalten kann, hat man bisweilen die "richtige" Organisation gewählt, damit man im durchaus bauernschlauen Vergleich schnell ein Fundament finden kann, das im Rahmen des Proporzdenkens bei der Stellenbesetzung gewisse Vorteile erwarten läßt. Sicherlich hat es dem Betrachter egal zu sein, welchem Verband sich eine Führungskraft zum Beispiel anschließt. Keine Frage. Aber es ware fatal, von der Mitgliedschaft in einem bestimmten Verband auch auf die für diesen Verband relativ "typischen" Sozial- und Politikgesinnungen beim Individuum zu schließen. Im Klartext: Eine Mitgliedschaft z.B. bei der GEW (Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft), die landläufig immer noch unter einer "Linkstendenz" gehandelt wird, schließt nicht auch, daß sich hier ein Spießbürger der Sonderklasse verbirgt, einer der an Konservativität kaum mehr zu überbieten ist, einer, der von seiner Gesinnung her, dort jedenfalls nicht "richtig" zugeordnet ist. Damit will ich nicht sagen, daß es gerade einer solchen, vielleicht etwas einseitig ausgerichteten Formation, nicht gut tun könnte, wenn mehr Pluralität einzieht und so die Meinungsbildung erfrischt. Aber bei der Bewertung des jeweiligen Individuums, in unserem Fall: der einzelnen Führungskraft, ist davon auszugehen, wie sie tatsächlich ist und nicht, wofür sie selbst sich hält. Es gilt also das Spielen von Scheinrollen zu durchschauen und in sein eigenes Kalkül mit aufzunehmen.
Umgekehrt wäre es vollkommen falsch, wenn man beim BLLV nur stark konservative Elemente vermuten wollte. Auch wer in der KEG (Katholischen Erziehergemeinschaft) gebunden ist, muß nicht zwangsläufig katholischsein oder sogar sein Leben katholisch ausrichten; ich kenne einen Fall, da hat früher vor ihrer Ernennung zur Führungskraft eine Doppelmitgliedschaft gepflegt: Als Evangelische ist sie in die KEG eingegetreten, gleichzeitig aber auch in den BLLV. Über die Motive darf gerätselt werden ...
Es geht also darum, hinter die Charaktermasken (Marx) zu blicken. Boshafterweise könnte man hier einen Vergleich mit Karneval bzw. Fasching anstellen, nur daß dort die Leute lediglich temporär (und wohl auch: stets bewußt) in eine andere Rolle schlüpfen, während die Rollenbewertung im Alltag - vor allem auch bei Aufstiegsambitionierten - nicht ganz so einfach und weitgehend monokausal erfolgen kann.
1c) Der Typus der Quantität
Wir kennen es doch alle, dieses: MULTUM NON MULTA. Nicht jedoch die Führungskraft reduzierter Qualitäten. Sie vermag nämlich nicht zu trennen zwischen den Dingen, die lediglich eine quantitative Anfhäufung (meist sogar noch - und das ist schon ein Treppenwitz vor dem Belastungshintergrund - unnötiger, wei ineffizienter Beanspruchungen) im schulischen Alltag bedeuten und den Dingen, die wirklich eine Verbesserung für Lern- und Erziehungsprozesse bringen. Stattdessen pflegt jener Typus die Umkehrung: MULTA NON MULTUM. Hauptsache man hat viel vorzuzeigen, steht immer wieder in der Zeitung, bekommt Schulterklopfen (oft von falschen Seiten, aber das bleibt dem unkritischen Geist natürlich auch verborgen), kurz: eine Aktivität jagt die andere. Ein besonderes Hobby in diesem Denkkontext: möglichst viele Konferenzen. Man möchte immer nach oben melden können, wie tätig man ist, wie fleißig. Nur eines bleibt verborgen: die Frage nach tatsächlicher Effizienz. So geschieht es nicht selten, daß sich nichts verbessert (dafür setzt man dann als vermeintliches Korrektiv die Schönrednerei sowieVerdrängungseffizienz), daß die Mitarbeiter (MIT-Arbeiter: oft geht es bei diesem Typus am Wortsinn vorbei ...) unnötige Mehrbelastung erleiden, daß ein unbefriedigende Status-Quo-Zustand fortgeschrieben und daß zuletzt nicht ganz selten eine neue Form von Lächerlichkeit generiert wird. Und dies nur deshalb, weil man nicht fähig oder willens ist, die Frage nach dem tatsächlichen Sinn von Maßnahmen vor dem Hintergrund eines klar und vernünftig formulierten Betriebszieles zu stellen. Jener Typus ist der Herrscher über den blinden Aktionismus uns setzt natürlich seine Vorhaben ohne Erbarmen und Gnade, vor allem ohne auch nur irgendeinen Selbstzweifel, durch. Auch hier gilt wie in allen anderen "Typus-Fällen": Sollte tatsächlich einmal die normative Kraft des Faktischen sich so durchsetzen, daß ein Scheitern nicht mehr zu leugnen ist, dann wird auf Schuldigensuche gegangen; fündig wird man schnell: nämlich bei denen, die derartige Maßnahmen (aus guten Gründen) kritisieren, jene werden dann niedergemacht, so als wären sie der Sand im Getriebe, jene Teamunfähigen, also genau Vertreter jener Verhaltensweisen, die eigentlich der falsch agierenden Führungskraft tatsächlich zuzuschreiben sind. Aber hier greift dann sehr schnell wieder der Machtproporz ein, auch die vorgeordneten Stellen, die alles andere gebrauchen können (und haben wollen) als auch nur irgendeine kritisch gerichtete Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit).
1d) Der "Wohnzimmer-Flüchtige" Typus
Es soll Leute geben, die das Leben nicht ertragen können, wenn sie sich allzuoft oder auch nur selten selbst begegnen müssen. Also jene Personen, die stets Leute um sich benötigen, um von ihrer eigenen Hilflosigkeit ablenken zu können, um sich selbst durch arrangierte und vor allem selbst-inszenierte Sozialumgebungen immer wieder die eigene Wichtigkeit, die eigene "Beliebtheit" in vermeintlicher Beweiskraft bestätigen zu können oder häufig auch andere Ausprägungen verdrängter Defizite eigener Identitätskrisen kompensieren zu vermögen. Mag jener Typus, männlich oder weiblich sei hier völlig dahingestellt, auch in der Regel aus unbewußten Motiven handeln: Im Ergebnis ist er bzw. sie ein Ärgernis ersten Ranges für alle jene, die mit ihrer Zeit und mit ihrem Leben sinnvoller umgehen zu wissen. Sie stehlen nämlich jenen, die ihr Leben, damit auch ihren beruflichen Alltag eigentlich besser zu organisieren wissen, wertvolle Lebenszeit, bringen Unruhe in den Arbeitsalltag (vor allem durch ihre "enorme Fähigkeit" durch sinnlose Belastungen und Selbsttäuschungen hinsichtlich wahrer Effizienz der eigentlichen Arbeit gegenüber zumindest weitgehend kontraproduktiv zu wirken) und schaffen allenfalls im Rahmen einer sich im Kontext ihresgleichen bewegenden subjektiven Übereinkunft einen Herrschaftszustand, der schulischen Zielvorgaben, will man wirklich der Jugend auf dem Weg in ein selbst-verantwortetes und selbst-verantwortbares Leben wirklich helfen, zuwiderläuft. Jene "Unteroffiziere des Geistes" (Karl Steinbuch, freilich seinerzeit über die der Technik völlig abstinenten Geisteshaltung von Geisteswissenschaftlern und solchen, die sich dafür hielten, in seinem Buch "Falsch programmiert") sind Sand im Getriebe, halten sich aber dem völlig entgegengesetzt als die Speerspitze reformerischen Bewegungen.
Jener Typus versteht jede noch so blödsinnige und inhaltsleere Diskussion in die Länge zu ziehen, gleich einem "Dubble-Bubble-Geblase und Geziehe" weitgehend noch sehr orientierungslos pubertierender Jugendlicher. Schlimm dabei: Es/Sie ist sich dessen nicht einmal bewußt. Wie nun aber in einem derartigen defizienten Seinsmodus umgehen mit jenen - sofern es die überhaupt noch in nennenswerter Zahl gibt -, die sich diesem Zeitdiebstahl gegenüber kritisch äußern? Richtig: Man macht sie mundtot, stellt sie mit den einem Kleingeist eben zur Verfügung stehenden typischen Machtmitteln ins Abseits, leitet - im subjektiv empfundenen "schlimmsten Fall" gar disziplinarische Maßnahmen ein (die freilich höchst selten dann einer gerichtlichen Überprüfung standhalten ...). Man hat ja die Machtposition, sich als sakrosankt zu geben, sich hart zu zeigen (da die Obrigkeit die schützende, weil Ruhe haben wollend, Hand über ihre einschlägigen Zöglinge hält. Und wo bei jenen Typen das Mimosenhafte dominieren sollte, da wird dann schnell die Rolle des Beleidigten, des Nicht-Verstandenen, eingenommen; man kann einfach nicht nachvollziehen, wie die von einem "Gutmenschen " intendierten Vorhaben von den Untergebenen (ja, sie werden tatsächlich NUR so im faktischen Verhalten wahrgenommen) nicht verstanden werden. Tenor: Man bemüht sich doch so um alles, vor allem auch um das sozial gute Miteinander, aber es werden einem in den ausschließlich guten Vorsätzen nur Prügel von destruktiven oder gleichgültigen Charakteren zwischen die Beine geworfen. Der oder die so Beleidigte zieht sich dann entweder um so mehr in das selbst-konstruierte Schneckenhaus zurück, um dort dann schmollend gegen die ob der als Zumutung empfunden "Aufsässigkeiten" neue Strategien der Unterdrückung und Entmündigung auszubrüten. Der im Nehmen härtere Vorgesetztentypus jener Sorte braucht diesen Umweg freilich nicht: Er teilt sofort rücksichtslos aus. Beide Fälle kennzeichnet jedenfalls der Umstand, daß sie keine Abweichungen dulden können. Dafür sind sie in ihrer Persönlichkeit einfach zu schwach. Eine Schwäche, die man jedoch niemals zeigen darf und glaubt mit noch größerer Härte verbergen zu können. Aber wie gesagt: Hier wütet zumeist das Unbewußte, hier lebt sich der wenig souveräne Mensch aus. Auch hier wieder finden wir die Meister der Phrasendrescherei, die Huldiger von Euphemismen, denn es gilt schließlich, das Schlechte, das Unvollkommene, das zu Verbessernde gut zu reden, also erst gar nicht: wahrzunehmen.
Da gibt es dann keine schlechte Leistungen, keine Disziplinprobleme, keine Drogenprobleme, keine Stundenausfälle, keine Schlecht- oder Minderversorgung, keine auch nur nennenswerte Belastungsaspekte, keine Überflüssigkeiten, vor allem keine: Notwendigkeit zur Veränderung.
Es wird einfach der Teppich hochgehoben und unter ihn gekehrt, was im Wege ist, seien es Mensch oder Material sowie Strukturen im weitesten Sinn. Vor allem aber: Es wird die Lüge gelebt, kultiviert. Auch wenn man sich das meistens nie und nimmer eingestehen kann und will.
Warum nun diese gewählte Bezeichnung, eben der oder die das Wohnzimmer Fliehende? Wie oben schon erwähnt, kann jener Typus sich nicht selbst begegnen. Er hat Angst oder Furcht vor dieser Begegnung, weil sie eben starke Unvollkommenheiten zu Tage brächte und damit verbunden die Notwendigkeit, an der eigenen Persönlichkeit arbeiten zu müssen. Aber gerade dies kann jener nicht, da ihm die Souveränität zum Eingestehen von Schwäche bekanntlich fehlt. Aber ein weiteres Moment dürfte hier eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Jener Typus ist narzißtisch sehr schnell und leicht kränkbar; er braucht also immer wieder Außenbestätigung und ähnelt im Verfahren der Befriedigung dieses Bedürfnisses leider sehr dem unter 1c grob skizzierten Vorgesetztentyp: Er glaubt (fälschlicherweise) durch Masse um sich - seien es nun Menschen, die mit Zwang zur Anwesenheit herzitiert wurden oder aber auch "nur" Dinge sowie Ausflüsse jeweiligen Positionsrollenverständnisses - in seiner Imposanz bestätigt zu sehen. Dabei ist er blind für eventuell gezeigten Ärger auf der Gegenseite (die oft dann als Launenhaftigkeit o.ä.der anderen abgetan wird), auch blind für Kritik (die bekanntlich schnell als u.a. deplaziert diffamiert wird) und schon gar nicht offen für den sich tatsächlich ergebenden Stillstand. Nachdenken, Entspannen, weitgehende Modi an Reflektionen sind seine / ihre Sache nicht. Man glaubt, als Betriebsnudel (obwohl man sich auf schärfste gegen diese Etikette zu wehren wüßte!) das Dasein auf die "richtige Art und Weise" zu gestalten. Man selbst liegt richtig, alle anderen, die kritisch gegenüber stehen, liegen falsch. So einfach ist dies also. Ein (auch nur über das normale Maß der Befriedigung von Eßbedürfnissen - obgleich auch hier das außerhäusliche Agieren in Lokalen oft vorgezogen, die Öffentlichkeit gesucht wird - sowie von anderen daheim zu "erledigender" Unvermeidlichkeiten) Zurückziehen in die Häuslichkeit ließe jenen die berüchtigte Decke auf den Kopf fallen. (Ob hierbei wohl viel Schaden angerichtet werden könnte? -That's the question ...)
Fakt ist: Eigentlich als Vorgesetzte völlig ungeeignet. Wie eben die anderen ohne Anspruch auf Vollständigkeit ausgewählten Typen auch.
2. Einige Gedanken zur Auswahl der Falschen als Führungskräfte.
Wie aber kann es dann sein, daß jene nicht oder nur wenig geeigneten Personen in Führungsrollen geraten? Ihren eigenen Antrieb dorthin habe ich angerissen. Aber warum läßt man sie hochkommen? Sie müßten doch vor ihrem Aufstieg entsprechend auf Eignung geprüft und überprüft werden. Eine Antwort könnte lauten, daß jene, die auswählen und entscheiden, Mitglied jener Phalanx subjektiver Übereinkunftsmasse sind, die eben verhindert, daß jene Mängel als Mängel gesehen werden können. Es ist eben die Ebene und die Hierarchie der großen Wörter. Wörter (nicht: Worte!), die dann nicht einmal hinterfragt werden. Eine Bewerberin auf einen Schulleiterposten antwortete einmal auf die Frage, warum sie sich für den Posten als geeignet erachtete, schlicht damit, daß sie "eine Vision von Schule habe". Nun gut. Damit war es dann auch bewendet. Ich habe dem dafür mit zuständigen damaligen Schulrat deutlich gesagt, meine nächste Fragen gewesen, wie sich denn diese Vision darstelle, wie sie die Bedingungen der Möglichkeiten zur Realisierung einschätze und wie sie gegebenfalls daran arbeiten könne, entsprechende Bedingungen zur Realisation zu schaffen. Derartige Fragen wurden natürlich nicht mehr gestellt, man gab sich eben mit dieser aufplusternden (eigentlich völlig nichtssagenden) Bemerkung zufrieden (Übrigens: Die Dame bekam die Stelle.). Schon gar nicht wurden Fragen zur Legitimationsproblematik in diesem Zusammenhang gestellt. Wichtig war jedoch eine gute Beurteilung nach Unterrichtsbesuchen. Völlig davon abgesehen, ob diese Dame guten oder schlechten Unterricht gehalten hat (damit meine ich: einen, der vorbildlich für spätere Untergebene gewesen wäre in einem Sinne, daß er zur Beurteilung des Unterrichtens anderer legitimiert hätte ...): Auch der beste oder die beste Unterrichtende ist noch lange keine gute Führungskraft.
Letztlich also erweist sich, daß nicht der oder die "Unbequeme", der kritische Geist als Untergebener gewünscht wird, sondern der "pflegeleichte", der Ja-Sager (frei nach Brecht), der Folgsame. Aber es sind genau jene, die die Welt nicht voran bringen! Und welcher tatsächlich Gebildete, Kritische, Offene, Dem-Fortschritt-Verpflichtete ordnet sich denn schon gerne jenen Stillstand-Typen unter? Derartige Verwebungen schaffen doch nur böses Blut. Für die Schule: Rückschritt oder Stillstand.
Wie hier gedacht und gehandelt wird, berichtet uns die Süddeutsche Zeitung Nummer 110 vom Montag, 14. Mai 2007. Da heißt es unter der Überschrift "Rebellen im Ländle. Rektoren wollen ein neues Schulsystem" (Seite 16), daß sich in "einer bislang einmaligen Aktion" die Leiter von 96 Haupt- und Realschulen in Baden-Württemberg gegen die Beibehaltung des dreigliedrigen Schulsystems als "pädagogisch falsch und gegenüber Schülern ungerecht" öffentlich ausgesprochen hätten. Sie vertreten die Ansicht, daß von einer längeren gemeinsamen Schulzeit sowohl die schwachen als auch die starken Schüler "gleichermaßen" profitierten. Diese Ansicht als offener Brief an den Kultusminister Helmut Rau (CDU) rief sofort die Gegenwehr auf den Plan: "Der Minister wies die Forderung umgehend zurück und rügte zudem die Form des Protests. Dessen Initiatoren wurden inzwischen von der Schulaufsicht vorgeladen." (ebd.)
Fällt einem Minister eigentlich gegenüber geistiger Wachsamkeit nichts anderes ein, als zurückzuweisen und die Schulaufsicht auf den Plan zu rufen. Repressiver kann es doch wohl kaum mehr gehen. Wo bleibt hier das Bemühen um Diskursivität? Wo bleibt der Impetus, Mut zu machen, damit sich die Verhältnisse ändern, dies im Sinne einer Verbesserung und nicht in Richtung Verschlechterung? Selten genug, daß Leiter sich einmal öffentlich so richtig artikulieren. Eben vernehmlich. Aber was fällt der Obrigkeit ein: Nichts anderes als den Knüppel geistiger Knechtung zu schwingen. Armseliger geht's wohl nimmer. Undemokratisch ist es allemal. Was für einen Spaß muß es machen, unter Vertretern einer derartigen Denkweise und Handlungsform zu arbeiten? Arme Lehrer. Aber auch: armer Minister. Und schlimmer: arme Schüler, denen nicht einmal eine öffentliche und wirksame Diskussion ihrer tatsächlichen schulischen Lern- und Erziehungsbedingungen gegönnt zu sein scheint. Man kann abwarten, wie diese ganze Angelegenheit sich weiter entwickelt, wie - aller Wahrscheinlichkeit nach - der typische "Beschwichtigungs-Deutsche" (Rolf Hochhuth, Soldaten) wieder einmal mehr tätig werden und sich durchsetzen wird.
Ein weiteres exemplarisches Beispiel gefällig. Hier ist es. Wir greifen zur gleichen Zeitung, diesmal ist es die Seite 6 (Die Reihenfolge der von mir ausgewählten Seiten ist nicht zufällig "regressiv" gewählt. Ob es schlimmer ist als das obige Beispiel, mögen die Leser für sich entscheiden. Aber an Einfalt (um in der Wortwahl höflich zu bleiben) dürfte es obigem Sachverhalt nicht gerade nachstehen. Wir lesen "Zwei Religionen gelehrt" und hoffen - gutgläubig und weitgehend global orientiert wie wir nun einmal sind -, da könnte sich doch einmal etwas in Sachen Ökomene Positives getan haben. Oder vielleicht gar in Verbindung mit muslimischer oder sonstiger Religonsarbeit. Weit gefehlt! Schnell sind wir auf den Boden bundesrepublikanischer Realität wieder gelandet. Diesmal war das Bistum Hildesheim tätig geworden. Es wurde nämlich eine katholische Religionslehrerin entlassen, weil sie an einer Braunschweiger Schule auch evangelischen Religionsunterricht erteilt hat. "Der Pädagogin sei im April fristlos gekündigt worden, berichtete die Schulleitung am Wochenende. Die Frau habe bei Engpässen auch evangelische Religion unterrichtet, sagte der kommissarische Schulleiter Franz Rollinger." (ebd)
Die Kirche sieht im Handeln der Lehrkraft einen Verstoß gegen den Arbeitsvertrag, ein Sprecher des Bistums hat die Kündigung bestätigt.
Hat der Mensch da noch Worte? Er sollte sie zumindest haben. Finsterer geht es wohl nicht mehr! Da ist jemand, der sich Mehrarbeit aufhalst, der engagiert ist, der damit wirklich - zumindest aus dem Verständnis einer der Aufklärung folgenden Zeitreihe - niemanden schadet, sondern im Gegenteil: nützt! Und was macht die kirchliche Obrigkeit? Sie schmeißt diese Person so mir nichts dir nichts aus dem Arbeitsvertrag. Wo bleibt hier der Gedanke an Ökonmene, wo der an christliche Nächstenliebe, wo der an eigene Souveränität. Wie armselig muß ein Selbstverständnis sein, das sich durch dieses aufgeschlossene Verhalten der katholischen Lehrerin gefährdet sieht. Brüchigeer geht es wohl kaum noch, die Mitgliedschaft in einer solchen Gemeinschaft des faktischen Gleichschaltungsversuchs ist mehr als überdenkenswert. Ich für meinen Teil habe meine Entscheidung schon in frühen Jahren gegen derartige Gängelungsversuche getroffen. Andere taten dergleichen. Ich denke: Noch mehr werden folgen, wenn sich die Hintergründe derart biederen Verhaltens nicht gewaltig ändern sollten ...
Erstes Gedankenspiel: Hätte die evangelische Kirche aufgemuckt, wenn ihre Schäflein von einer "Katholischen" unterrichtet worden wären, dann hätte man vielleicht zwar auch das nicht verstehen, jedoch eine gewisse Logik im Gedankengebäude nachzeichnen können. Aber sie waren wahrscheinlich froh, daß jemand - auch aus anderer Provenienz - in diesem Fall der (Unterrichts-) Not zu Hilfe eilte. Jedenfalls scheint die Protestanten die fremde Amtshilfe nicht gestört, erschreckt oder verunsichert zu haben.
Zweites Gedankenspiel: Was hat die Tätigkeit dem Verständnis von Teilen des katholischen Klerus denn geschadet? Viel, nämlich genau den Anteil, den er selbst durch sein kleinliches Verhalten dazu beigetragen hat. Er hat also Schuld auf sich geladen, hat gerügt, daß (fremde) Schafe (bisweilen) geweidet worden sind und hat eine Weltsicht an den Tag gelegt, die es eben allen Kritikern leicht macht, wieder Wasser auf die bekannten Mühlenräder zu bekommen.
Drittes Gedankenspiel: Der Klerus wäre wohl nicht der Klerus, würde er auf Kritik nicht irgendetwas finden, das er als Rechtfertigungsgrund benützen könnte. Dabei möchte ich ihm antizipativ jedoch schon einmal eine kleine Grenzlinie weisen. Sollte nämlich juristisch die Sichtweise über das Ausüben von Nebentätigkeit, die bekanntlich ja anmelde- und genehmigungspflichtig sind, versucht werden abzudecken, dann sollte sich der Klerus fragen, inwieweit dies aus religiöser Sicht in diesem Fall angewendet werden mußte. Es wäre doch wirklich christlich im wahrsten Sinn der Idee gewesen, hier ein wohlmeinendes Eintreten für andere Menschen positiv gewertet denn negativ sanktioniert zu haben. Auch sei erinnert: Der Staat (damit alle Steuerzahler) unterstützt kirchliche Bildungsarbeit erheblich und es kann dem Bildungswesen nur gut tun, wenn es engagierte Lehrer gibt, vor allem auch welche, die weit über das notwendige und unverzichtbare Maß hinaus sich betätigen.
Mein Fazit: Pfui Teufel ob dieser Kleinlichkeitskrämerei. Jedenfalls für diese Positionierung habe ich nichts als tiefe Verachtung übrig. Cave canem! wäre man fast geneigt als Konsequenz auszurufen.
3. Ein kleines Fazit
Die vorgezeigte Normativität des Faktischen ist weit von wünschenswerter Bewegung in der Bildungslandschaft entfernt. Und irgendwie könnte jemand auch hier wieder auf den Gedanken kommen, auch was geistigen Phlegmatismus und Stillstand angeht, stinkt häufig der Fisch vom Kopf. So weit möchte ich allerdings nicht gehen, aber mehr Mut, mehr Vertrauen (vor allem in Untergebene und deren Möglichkeiten zur Selbständigkeit und Eigenverantwortung) sollte man in den oberen "Führungsetagen" schon aufbringen können. Euch dort oben ist doch auch bekannt, daß die BRD ein Staatswesen ist, das sich Demokratie nennt, um deren Besserung zu ringen hat als auch die Menschenwürde als oberstes schützenswertes Ziel anerkennt. Daran sollten doch alle arbeiten dürfen (und müssen), gleichgültig auf welcher Ebene die jeweiligen Personen sich jeweils befinden. Schon gar nicht sollte man den wirklich Aktiven Erschwernisse bei ihrem aufrichtigen Engagement um die Sache machen. Sind all dem entgegengesetzt Leute wie z.B. der Münsteraner Erziehungswissenschaftler Ewald Terhart nur Rufer in der Wüste, wenn sie fordern, daß auch zukünftig bei einer Reform der Lehrerbildung die Ausbildung angehender Lehrer mit anderen wissenschafltichen Studiengängen verschränkt sein sollte, damit eben nicht die Lehrerausbildung zu einem ausgekoppelten Sonderbereich gerinnt? Der über die engeren Grenzen hinausblickende und umfassend denkende sowie entsprechend handelnde Lehrer sollte auch zukünftig zum Wohle der Jugendlichen gefragt sein, und nicht der sich schlicht und einfach in Ketten legen lassende Typus, dem seine Ruhe und Anpassung an das, was er entweder fälschlicherweise als unvermeidbare Unterordnung und Reduktion von Komplexität oder aber in tatsächlicher Empfindung als Aussichtlosigkeit und Ohnmacht gegenüber höheren Instanzen empfindet und hält, zur Handlungsmaxime gerinnt.
Lethargische, Ängstliche, Furchtsame, Typen mit Hang zu vorauseilendem Gehorsam, Kritiklose, Innovationsunfähige und allzu sehr der Vorsicht verpflichtende Personen haben dem Schulsystem schon früher geschadet, schaden auch gegenwärtig und werden vor allem vor dem Hintergrund rasanter zukünftiger Entwicklungen noch deplazierter in einem Schulsystem sein, das völlig neuen Anforderungen sich zu stellen hat. Der für die Erfüllung derartig schwieriger Aufgaben kompetente Lehrertypus kann nicht in einem Klima von Repression, Furcht und Angst gedeihen. Insofern sollten die dafür zuständigen Instanzen sehr gut bedenken, wen sie in Führungspositionen aufsteigen lassen. Auch müssen sie lernen, Kritk als fruchtbaren Beitrag zu verstehen und nicht als Akt von mangelnder Solidarität. Daß darüber hinaus auch eine erhebliche sachliche und personelle Aufstockung schulische Zuordnungsmaßnahmen zu begleiten haben, ist unübersehbar.
Nur: Wie soll man Optimist bleiben angesichts dieser weitverbreiteten Besserwisserei und all den gelebten Anstrengungen hinsichtlich Rechthaberei vor allem auf vielen Entscheidungsebenen? Es fällt wahrlich nicht leicht ...
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Abschließend doch noch ein Stückchen Optimusmus, visuell als Assoziationsanregung offeriert, sozusagen gegen die Wohnzimmerflüchtlinge: Es gibt mehrere Welten, in denen man sich zurechtfinden muß und die man, aktiv bejahend, immer wieder sich selbst überprüfend, erleben kann und auch sollte. Einseitigkeit ist immer schlecht, egal auf welchen Ebenen man sich bewegt ...
Gewissen Urlaubstypen sei es vorher schnell noch (leicht besserwisserisch klingend, aber deutlich) gesagt:
"You can travel on ten thousand miles and still stay where you are ..." (Harry Chapin)
Oh little chapel, why not come down a little bit ... ? Sometimes too much of "At the open sea" (Strindberg)?
Somewhere there is always a beach for you: waiting ... Though hidden, I can still feel you, even see you ...
Oh early morning that has such friendliness around ... And later, surely not getting worse ...
"I don't want no God on my lawn, just a flower." (Cat Stevens) "High on a hilltop my heart cries 'Oh Lord!'" (T. Collins) Which bush to trust?
Auf meine unter dem letzten Bild aufgeworfene Frage, hat Periel Aschenbrand einmal ihre passende Antwort gefunden (seinerzeit sicherlich auch in Anspielung auf George W. Bush):
"The only bush I trust is my own.".
Und weiter geht es hier irgenwann wieder mit unliebsameren Ein- und Ausblicken, aber auch mit Indizien auf Hoffnung ...
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